Konsumverhalten der ÖsterreicherInnen nach der Corona-Krise

Eine gemeinsame Studie von TQS Research & Consulting mit TALK Online Panel

„Back to normal“ – die Hoffnung stirbt zuletzt!

In Anlehnung an den Hollywood Blockbuster „Zurück in die Zukunft“ der 1980er-Jahre wünschen sich manche wohl eine Reise in die Vergangenheit, um den Ausbruch und die Verbreitung des Corona-Virus verhindern zu können. Diese Wünsche werden im Film leider nur in Hollywood erfüllt; in der Realität muss die Welt mit dem Virus leben lernen und in Österreich erleben wir gerade in Woche 6 seit der Verkündung der Lockdown-Maßnahmen, dass uns das offenbar ganz gut gelingt.

Neben den Zahlen zur Krise in den täglichen Statistiken des Gesundheitsministeriums und den verschiedenen Maßnahmen, welche die Politik vorgibt oder empfiehlt, haben sich die ForscherInnen von TQS Research & Consulting gemeinsam mit TALK Online Panel gefragt, was die Krise in den Köpfen der ÖsterreicherInnen bewirkt und ob der Blick in die Zukunft tatsächlich eine neue Normalität erwarten lässt.

Statt dem Blick in die Kristallkugel oder Wünschen von ExpertInnen haben wir 1.007 repräsentativ ausgewählte ÖsterreicherInnen befragt: Alter zwischen 18 bis 65 Jahren, in der Zeit nach Ostern von 17.-24. April 2020, Online-Befragung/CAWI Panel. Wir wissen, dass es nur eine Momentaufnahme ist, die sich auch rasch wieder ändern kann; vieles gibt Hoffnung und manches sollte auch nachdenklich stimmen.

„Die ÖsterreicherInnen sind anpassungsfähig und haben rasch gelernt, gut mit den Auswirkungen der Krise zu leben.“ Die Betroffenheit ist unterschiedlich; kalt lässt die Krise niemanden.

  • Obwohl nur 51 % der Befragten sagen, dass sie beruflich von der Corona-Krise betroffen sind – 26 % waren schon vor der Krise nicht (mehr) berufstätig und bei 23 % hat sich in ihrer beruflichen Tätigkeit nichts verändert – lässt Corona keinen kalt.
  • 81 % der Befragten informieren sich zumindest einmal pro Tag zu dem Thema auf den verschiedensten Kanälen, 46 % mehrmals pro Tag bis hin zu mehrmals stündlich, ob es aktuelle Informationen gibt.
  • 42 % fühlen sich emotional durch die Berichterstattung negativ betroffen, 11 % sind nicht betroffen und annähernd die Hälfte (47 %) kann bereits wieder etwas Positives aus den Nachrichten erkennen.
  • 18 % kennen in ihrem Umfeld einen SARS-CoV-2 Infektionsfall, aber nur 14 % sehen für sich selbst das Infektionsrisiko sehr oder eher hoch; fast zwei Drittel machen sich aber trotzdem über eine Infektion bei sich oder Bekannten Sorgen.

„Auch in Woche 6 der harten Einschränkungen und Maßnahmen der Selbstisolation gibt es hohe Zustimmung und Akzeptanz der Österreicherinnen und Österreicher! Die Mehrheit macht weiterhin mit und ist sogar skeptisch darüber, ob die Lockerungen zu früh stattfinden.“

  • Für 90 % hat die österreichische Bundesregierung im Vergleich zu anderen Ländern in Europa besser gehandelt, um die Ausbreitung des SARS-CoV-2 zu reduzieren.
  • 86 % meinen, die Maßnahmen in Bezug auf die Schließung von Geschäften, Lokalen und die Absage von Veranstaltungen waren richtig.
  • 82 % stimmen zu, dass die Maßnahmen in Bezug auf die Ausgangsbeschränkungen der Bundesregierung zum richtigen Zeitpunkt getroffen wurden.
  • 80 % der Befragten befürworten die gültige Maskenpflicht in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln, um die Verbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen.
  • Zwei Drittel befürchten grundsätzlich, dass die Zahl der Infizierten wieder ansteigt. Insgesamt meinen 50 %, dass das passieren wird, wenn die Maßnahmen zu früh gelockert werden.
  • In ihrer Eigeneinschätzung stimmen 91 % der ÖsterreicherInnen der nachfolgenden Aussage zu: „Ich halte mich ausnahmslos an die Regelungen und Verordnungen der Regierung in Bezug auf die aktuell gültigen Ausgangsbeschränkungen.“

„Das Corona-Virus hat das Zeug einen disruptiven, nachhaltigen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft zu bewirken oder zu beschleunigen. Die Erholung wird kommen, aber es wird nicht so schnell gelingen, wie manche hoffen.“

  • Zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass die Corona-Pandemie unsere Gesellschaft stark verändern wird. Nur ein Drittel sieht diese Veränderungen negativ (dabei nur 6 % „sehr negativ“).
  • Die Erholung der Wirtschaft kommt, aber es wird dauern: nur 56 % glauben, dass sich die österreichische Wirtschaft in naher Zukunft von dem Shutdown erholen wird.
  • Die ÖsterreicherInnen befürworten auch die Unterstützung der Wirtschaft, sogar noch mehr wäre notwendig: 43 % sind der Meinung, dass die Höhe der zur Verfügung gestellten Mittel zur Unterstützung der Wirtschaft nicht ausreichend ist.
  • Ein Gutes hat die Krise; sie beschleunigt den digitalen Wandel und den ökologischen Umbau der Wirtschaft: 77 % der Befragten sind der Meinung, dass die Corona-Pandemie zu einem positiven Wandel der Wirtschaft beiträgt, z. B. hinsichtlich Klimawandel, verminderten CO2-Ausstoß oder Digitalisierung.

„Veränderung passiert im Kopf. Gibt es tatsächlich eine Rückkehr zur alten Normalität, wenn die Maßnahmen der Lockdown-Phase wieder aufgehoben werden?“

Wir haben für unsere Studie bewusst die von der Regierung bezeichnete „Phase 2“ ausgewählt, da nun schon eine Perspektive auf die nahe Zukunft möglich ist und weitere konkrete Lockerungen in Aussicht gestellt wurden bzw. bereits medial diskutiert werden. Für uns ist wichtig, was die Krise im Kopf der KonsumentInnen auslöst bzw. in einer Momentaufnahme für das hypothetische Konsumverhalten bedeutet:

„Was fehlt Ihnen am meisten, was würden Sie gerne als Erstes wieder machen?“
Eine der Erfolgsmaßnahmen des Krisenmanagements zur Infektionsvermeidung ist „social distancing“. Die seit Wochen stark rückläufigen Kennzahlen des Gesundheitsministeriums hinsichtlich der Neuerkrankungen zeigen eindrucksvoll, dass sich die Mehrzahl der ÖsterreicherInnen offenbar darangehalten hat.

  • Umso mehr steht an oberster Stelle der Wunschliste bei einer Lockerung der Maßnahmen: die Wiederaufnahme der sozialen Kontakte – mit FreundInnen (39 %) und Familie (34 %). Bereits an dritter Stelle wird die Gastronomie genannt – fast ein Viertel der Befragten (24 %) vermisst Restaurants und Lokale, nicht zuletzt, weil auch das Orte des sozialen Zusammentreffens sind.

Diese Aussage lässt hoffen, dass, wenn diese Branche gut mit den neuen Spielregeln für Restaurants und Lokale umgeht, es hier wieder rasch zu ansprechenden Besucherfrequenzen und einer Rückholung der Gäste in die Lokale kommt. Wichtig ist aus Marketingsicht: Die Bindung der KundInnen an die MARKE ist wichtiger als Bindung an den (Vertriebs-) KANAL: Gastronomen sollten frühzeitig damit beginnen und haben bspw. bereits durch verschiedene Möglichkeiten der Hauszustellung oder Abholung der Speisen, die Kundenbeziehung aufrechterhalten und profitieren jetzt vielleicht – trotz dem reduzierten Platzangebot im Lokal – von der Hauszustellung.

  • Weniger optimistisch lässt sich die nahe Zukunft für den stationären Handel aus den Daten ablesen: nur 4 % der Befragten vermissen „Einkaufen gehen“. Vielleicht war auch das wahrgenommene Defizit mit der Warenversorgung während des Lockdowns nicht so groß: der LEH und die systemrelevanten Versorger hatten immer geöffnet und im Zuge zunehmender Digitalisierung haben viele auch positive Erfahrungen mit eCommerce gemacht und ihren Einkaufsbedarf in Online-Shops abgedeckt. Somit kann man sicher nicht sagen, dass „der Handel“ ein Umsatzproblem haben wird. Vielmehr wird es ausgewählte Branchen im stationären Einzelhandel hart treffen, wo wir nach wenigen Tagen der Lockerung auch schon sehen, dass trotz der Öffnungsmöglichkeiten die KundInnen ausbleiben. Hier gibt es noch viel Forschungsbedarf, warum das so ist und ob das so bleiben wird. Es gilt auch für den Handel die Marketingempfehlung, die auch schon vor Corona gegolten hat; nur wurden Defizite durch die Krise jetzt erst schmerzhaft sichtbar:
    Die Bindung der KundInnen an die MARKE ist wichtiger als Bindung an den (Vertriebs-) KANAL. Multichannel-Verkauf ist gerade für den stationären Einzelhandel heute überlebenswichtig!
  • Die ersten Konkurse in der Branche lassen sich meist auch mit Versäumnissen bei der Digitalisierung der Vertriebskanäle begründen.
  • 70 % geben für sich an, bei ihren (zukünftigen) Einkäufen stärker auf die heimische Wirtschaft achten zu wollen. Auch diese Chance sollte man nicht ungenützt lassen!
  • Die Freizeit wieder aktiv draußen zu nützen, steht ebenso bei 13 % hoch im Kurs. Nicht zwingend in Bezug auf Events (3 %), aber hier zeigt eine weitere Frage, dass zumindest das ursprüngliche Kundenpotential angesprochen werden kann. Kein Wunder also, dass die Maßnahmen zur Lockerung der Bundesregierung bei der Bevölkerung so großen Zuspruch erhalten, da sie das Sozialleben zumindest unter neuen Voraussetzungen zurückbringen. Die ÖsterreicherInnen sind bereit und anpassungsfähig, sich an neue Regelungen zu halten. Insbesondere dann, wenn die Isolation in den eigenen vier Wänden wesentlich gelockert wird.

In Bezug auf Kunst und Kultur hat die aktuelle auch mediale Diskussion besondere Relevanz, wie die Studie bestätigt:

  • 88 % der Bevölkerung, die vor Corona ein Museum oder eine Ausstellung besucht haben, würden das gerne in naher Zukunft wieder tun. Nur 12 % würden ihr Besuchsverhalten nach Corona reduzieren.
  • Ebenso würden 81 bis 85 % wieder gerne verschiedene Formen von Konzerten besuchen – Jazz-, Rock- und Popkonzerte, klassische Musik, Musicals oder Kabarettveranstaltungen. 

Es sollte es nur eine Frage der Zeit sein, wann die Abhaltung der Events wieder möglich sein wird und es ist zu erwarten, dass die KundInnen rasch wiedergewonnen werden können. Hier ist es wichtig, dass die KünstlerInnen und VeranstalterInnen die Auswirkungen der Corona-Krise auch wirtschaftlich überleben.

  • Jede/r Vierte gibt an, während der Ausgangsbeschränkungen mit neuen Aktivitäten oder Hobbies begonnen zu haben. Die Nennungen sind hier sehr unterschiedlich: Sport/Fitness, Kochen/Backen, Malen, Spiele oder handwerkliche Arbeit im Garten oder Haushalt. Auch daraus können neue Kaufimpulse für den Handel entstehen, wenn man die KundInnen und Bedürfnisse rechtzeitig identifizieren und ansprechen kann.
  • Von der Jahreszeit her spannend sind die Ergebnisse hinsichtlich des Themas „Urlaubsplanung“, welches auch in den Medien nun mehr Aufmerksamkeit gewinnt und mit 7 % immerhin Platz 5 auf der persönlichen To-do-Liste in der Zeit nach den Beschränkungen erringt.

Der Tourismus ist für Österreich eine immens wichtige Branche und daher das intendierte Urlaubs- und Reiseverhalten zumindest für den Inlandskonsum relevant. Dazu haben wir noch detailliertere Fragen gestellt.

„Tourismusland Österreich – der Dämpfer im Sommer 2020 ist sicher!“ Aus den Daten ist eine schnelle Rückkehr zur Normalität auch im Kopf der Menschen nicht absehbar. Zumindest auf die Inlandstouristen sollte man sich aber neu einstellen, um nicht alles zu verlieren.

  • Zum Befragungszeitpunkt nach Ostern hatten 47 % für diesen Sommer einen Urlaub weder geplant noch gebucht.
  • 19 % wissen noch nicht und nur 34 % sind schon sicher, dass es für sie im Sommer 2020 auch einen Urlaub geben wird.
  • Von diesem Drittel wissen aber 10 % noch nicht genau wo, für 15 % ist der Österreichurlaub fix und 9 % hoffen noch auf Reiseerleichterungen ins Ausland, um vor allem nach Kroatien, Griechenland oder Italien fahren zu können.
  • 47 % der ÖsterreicherInnen werden aufgrund der Pandemie weniger häufig Flugreisen buchen.

Ein Ergebnis, das für den Inlandstourismus vielleicht noch ein dünner Hoffnungsschimmer ist, doch ist der Umkehrschluss in Hinblick auf die ausländischen Tourismusgäste – und viele Tourismusdestinationen und Unternehmen sind vor allem auf ausländische Buchungen angewiesen – dramatisch: Zum einen ist für den nahenden Sommer absehbar, dass viele internationale Beschränkungen des Reiseverkehrs und der Reisefreiheit noch über Wochen und Monate aufrecht bleiben werden. Es können viele ausländische Gäste ihren geliebten Österreichurlaub oder die Städtereise daher gar nicht antreten. Wir haben dazu zwar keine Studienergebnisse, wenn sich bei den ausländischen Gästen die Corona-Krise auch in einer kurzfristigen Urlaubsverweigerung im Ausland niederschlägt (unsichere Einkommenssituation und berufliche Zukunft, Reisewarnungen und Infektionsängste u.a.m.), sind vergleichbare 10 %, die einen Auslandsurlaub in Betracht ziehen nicht viel, vor allem wenn davon nicht alle nach Österreich auf Urlaub fahren würden. Die internationalen TouristInnen und Eventgäste werden also noch länger auf sich warten lassen und umso mehr sollten sich kurzfristig Hotellerie und Gastronomie auf das lukrierbare inländische Potential fokussieren, was für einige eine deutliche strategische Neuorientierung bedeutet.

Abschließend zurück zur Ausgangsthese – „Back to normal“. Auf Basis der aktuellen repräsentativen Befragungsdaten wird es tatsächlich eine „neue“ Normalität sein, die aber vielleicht ihre Bezeichnung „Normalität“ nicht verdient; so anders und neuartig sie sich für die KonsumentInnen und AnbieterInnen anfühlt.

Vielleicht wäre das Defiziterleben auch leichter zu überwinden, wenn man erst gar nicht durch den Rückblick „Vergangenes idealisiert“, wenn man im selben Moment weiß, dass das ohnehin so nicht wiederkommen wird. Die Studienergebnisse machen jedenfalls Mut, dass die ÖsterreicherInnen nicht in der „Problemtrance“ gefangen verharren, sondern rasch begonnen haben, sich mit der neuen Situation zu arrangieren und zumindest jetzt noch in diesem frühen Stadium während/nach der Krise bereit sind, Veränderungen mitzutragen bzw. mitzumachen. „Zurück in die Zukunft“ trifft es wahrscheinlich besser, nicht nur weil ein Hollywood Blockbuster immer gut endet. Es sollte auch den ÖsterreicherInnen die Motivation und Kraft geben, die kommenden Belastungen und auch die Chancen besser anzunehmen.

Bei Interesse stellen wir Ihnen gerne die Studienergebnisse im Detail zur Verfügung. Anfragen unter: office@tqs.at

Pressemeldungen:
https://oe1.orf.at/player/20200428/595812/1588050805000?fbclid=IwAR18clnfYKo0pwQ98XNQl6QOeAg4egIDD4NIXUzMMUL9fq3_oapsebmK-vg
https://kurier.at/chronik/oesterreich/oesterreicher-vermissen-essen-gehen-shopping-weniger-wichtig/400825757
https://www.oe24.at/coronavirus/Menschen-vermissen-ihr-Lokal-aber-nicht-das-Shopping/427980300
https://www.sn.at/panorama/oesterreich/nach-dem-ende-der-einschraenkungen-freunde-familie-stammlokal-86837644
https://www.heute.at/s/urlaub-und-shopping-egal-wir-vermissen-die-lokale-45056454
https://www.tt.com/artikel/30730176/coronavirus-menschen-vermissen-ihr-lokal-aber-nicht-das-shopping
https://www.krone.at/2144288
https://oe3.orf.at/stories/3001948/
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2058723-Regierung-stellt-weitere-Lockerungen-in-Aussicht.html
https://www.derstandard.at/jetzt/livebericht/2000117154877/1000188947/ausgangsbeschraenkungen-enden-am-1-mai